Geschichte

Das staatliche Aufbaugymnasium Meersburg, das 1986 den Namen "Droste-Hülshoff-Gymnasium" erhalten hat, befindet sich seit 1952 in historischen Gemäuern.

Das Gebäude hat eine über 250-jährige Tradition. Es wurde 1735 vom Konstanzer Fürstbischof Johann Franz Schenk von Stauffenberg als Priesterseminar eröffnet. Nach der Auflösung des Bistums Konstanz wurde das Priesterseminar nach St. Peter im Schwarzwald verlegt (1827). In Meersburg wurde ein katholisches Lehrerseminar des Großherzogtums Baden eingerichtet. In den Jahren 1925 bis 1937 folgen die private Aufbaurealschule “Meerstern” und die staatliche Aufbaurealschule. Während der Zeit des Nationalsozialismus diente das Gebäude bis April 1945 als Reichsfinanzschule. Nach dem 2. Weltkrieg war es als Pädagogium wieder für die Lehrerbildung bestimmt.

Seit 1953 ist in diesem Gebäude das staatliche Aufbaugymnasium Meersburg untergebracht.

Die bewegte Vergangenheit des "Roten Ochsen"

Zeitraum
Institution
1735 - 1827 Priesterseminar
1839-1924 Lehrerseminar
1925 - 1936 "Meerstern" ("Stella Maris")
Private Aufbaurealschule und Realgymnasium
Mai 1936 - September 1937 Staatliche Aufbaurealschule mit Realschule
Oktober 1937 bis April 1945 Reichsfinanzschule
1946 - 1953 Pädagogium
seit 1952 Aufbaugymnasium
20. Mai 1983 Abitur des Jahrgangs 1983
3. Mai 2003 20-jähriges Abitur-Jubiläum des Jahrgangs 1983
Besuch in der alten Wirkungsstätte

 

Aufbaugymnasium

Zu Beginn der fünfziger Jahre zeichnete sich eine Neuregelung der Volksschullehrerbildung ab. Diese sollten nun nicht mehr an Akademien, sondern an Pädagogischen Hochschulen ausgebildet werden. Voraussetzung für die Zulassung zu diesem Studium war der Besitz des Reifezeugnisses. Deshalb lief in Meersburg das Pädagogium aus, der letzte Kurs verließ 1953 das Seminar und es wurde ein sechsjähriges Gymnasium mit anschließender Reifeprüfung eingerichtet, das schon 1952 die erste Klasse aufnahm.

Seit dem Schuljahr 1956/57 lautet die Bezeichnung der Schule: Staatliches Aufbaugymnasium mit Heim. Diese Namensänderung war die Folge des Abkommens zwischen den Ländern der Bundesrepublik zur Vereinheitlichung auf dem Gebiet des Schulwesens vom Februar 1955 (Düsseldorfer Abkommen). Der Landtag von Baden-Württemberg stimmte diesem Abkommen zu. Danach tragen alle Schulen, die zur allgemeinen Hochschulreife rühren, die Bezeichnung "Gymnasium". Die Schuljahre werden vom 1. Grundschuljahr nach aufsteigenden Klassen von 1 - 13 durchgezählt. Die Organisationsformen des Gymnasiums sind die Langform als die Normalform und die Kurzform. Beide Organisationsformen führen zum selben Ziel und schließen am Ende des 13. Schuljahres mit der Reifeprüfung ab. Der Lehrgang der Langform schließt an die Grundschule an. Der Lehrgang der Kurzform zweigt spätestens nach dem 7. Schuljahr von der Volksschule/ Hauptschule ab. Die Aufnahme erfolgt in jedem Fall aufgrund eines Ausleseverfahrens. Die Kurzform wird als neusprachliches oder als mathematisch-naturwissenschaftliches Gymnasium geführt. In der 6-jährigen Kurzform ist Englisch vom 1. Jahr an Pflichtfremdsprache, die 2. Fremdsprache beginnt im 2. Jahr des Lehrgangs. Im Hamburger Abkommen von 1964 wurden diese Bestimmungen näher modifiziert. Das Schulgesetz des Landes von 1976 unterscheidet zwischen dem "Gymnasium in der Normalform" und dem "Gymnasium in der Aufbauform" und bestimmt das Land als Schulträger der Gymnasien in Aufbauform mit Heim.

Der Aufbau auf die Volksschule und die Unterbringung im Heim war eine Bildungschance und damit auch eine gesellschaftliche Aufstiegschance für Kinder benachteiligter Bevölkerungsschichten auf dem Land.

Der Lehrplan für die Aufbaugymnasien wurde 1958 veröffentlicht. Es galten sinngemäß die Stoffpläne der Gymnasien der Langform. Da zahlreiche Abiturienten der Aufbaugymnasien sich dem Volksschullehrerberuf zuwenden, sollte die Schule diesem besonders Rechnung tragen: Deutschkundliche Arbeitsgemeinschaften (Lesegruppen, Vortrags- und Gesprächsgruppen, Spielgruppen), erhöhte Bedeutung der Heimat- und Landesgeschichte, Hervorhebung heimatlicher Natur und ländlicher Wirtschaftsformen. Auf die Musikerziehung wurde gesteigerter Wert gelegt. Musik war Hauptfach und jeder Schüler musste mindestens ein Instrument erlernen und in dem Orchester oder einer Instrumentalgruppe mitarbeiten.

Da die Lehrer auch als Erzieher im Heim tätig waren, war die Beziehung zu den Schülern sehr eng. Die Welt des "Semis" mit dem Lehrkörper, Erziehungs- und Dienstpersonal und dem Unterrichtsbereich, Schülerheim, Verwaltungseinrichtungen, Wirtschafts- und Küchenbetrieb war für viele prägend und führte zu Bindungen, die weit über die reine Schulzeit hinausreichen.

Im Juni 1967 wurde wieder eine Schülerzeitung "Roter Ochsen" ins Leben gerufen, nachdem die erste Schülerzeitung, das 1947 gegründete "Seminar Echo", in den schwierigen Nachkriegsjahren wegen finanzieller Schwierigkeiten 1950 das Erscheinen eingestellt hatte.

Entsprechend dem Zeitgeist setzten sich die Redakteure sehr kritisch mit Schule und Gesellschaft auseinander. Mangels Mitarbeitern erschien 1980 die letzte Ausgabe. 1984 wurde dann die Tradition neu belebt und die Schülerzeitung "Semikolon" aus der Taufe gehoben, die bis heute besteht und als Zeitung von Schülern für Schüler die jeweilige Interessenlage zu aktuellen Themen in Schule und Gesellschaft widerspiegelt.

Am 1. März 1977 wurde dem Aufbaugymnasium eine weitere Besonderheit zuteil. In einem zweijährigen Sonderlehrgang sollten jungen deutsche Spätaussiedler die Möglichkeit gegeben werden, die allgemeine Hochschulreife zu erreichen. Voraussetzung ist die deutsche Staatsbürgerschaft, ein mehrmonatiger Kurs zur Festigung der deutschen Sprachkenntnisse und eine Schulbildung, mit der die Aussiedler in ihren Herkunftsländern schon ein Studium hätten beginnen können. Bis heute bemüht sich somit die Schule nicht nur um den Wissenstand, sondern auch um die Integration der jungen Frauen und Männer, die inzwischen überwiegend aus den Staaten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion stammen.

Die 1977 eingeführte Reform der gymnasialen Oberstufe mit der Konzeption von Grund- und Leistungskursen wurde auch an den Aufbaugymnasien eingerichtet. Gerade der Leistungskurs Musik konnte nun geeignete, musikinteressierte und begabe Schüler fördern. Öffentliche Instrumentalvorspiele, die nun zweimal im Jahr in der Seminarkapelle stattfinden, zeigen das Können.

Beginnend mit dem Schuljahr 1984/85 gibt es eine Neukonzeption der meisten Aufbaugymnasien. Diese wurde nötig, weil die Aufbaugymnasien der alten Form ihre eigentliche Aufgabe von Jahr zu Jahr mehr verloren: Geschaffen wurden sie für begabte (Volks-) Hauptschüler aus Gegenden, die verkehrstechnisch wenig erschlossen waren; das Ziel war insbesondere die Gewinnung des Lehrernachwuchses. Inzwischen waren  im ländlichen Bereich neue Gymnasien gegründet und die Schülerbeförderung eingeführt worden, auch stand der Berufswunsch Lehrer nicht mehr an erster Stelle. Deshalb waren immer weniger Schüler auf die Aufbaugymnasien, besonders auch auf deren Heim, angewiesen. Um die vorhandenen Einrichtungen jedoch voll auszunutzen, wurde die Neukonzeption mit Profilbereichen erarbeitet, die in ihren Grundzügen bis heute gilt.

Die Schüler fangen nun in Klasse 7 an. Sie müssen nicht mehr Musik als Schwerpunkt haben, sondern können in Meersburg zwischen dem Profilfach Musik und dem naturwissenschaftlich-experimentellen Bereich wählen. Den einzelnen Fächern liegen die Stundentafeln des Normalgymnasiums zugrunde, um sicherzustellen, dass alle Schüler die gleiche Grundausbildung erhalten. Abweichend davon hat der Unterricht im jeweiligen Profilbereich eine etwas höhere Wochenstundenzahl.

Auch mit dem Schuljahr 1984/85 wurde eine jahrhundertealte Tradition aufgegeben: 12 Mädchen und mit ihnen auch eine Erzieherin zogen in das Heim des Aufbaugymnasiums ein (die Unmoral zog in den "Roten Ochsen" ein). Zuvor gab es nur vereinzelt im Unterricht mit wenigen externen Schülerinnen Kontakt mit dem anderen Geschlecht (ja, das waren harte Zeiten aber unmoralische Angebote gab es auch früher schon. Es gibt da die eine oder andere Geschichte in einer Klavierzelle, im Zimmer oder sonstigen Räumlichkeiten :-) ). Heute stellen die Mädchen den größeren Teil der Internen und etwa die Hälfte der Gymnasiasten.

Ob die schulischen Entscheidungsträger dies vorausgesehen haben, ist nicht belegt. Jedenfalls wollten sie der Schule ein etwas "modernes Image" geben und benannten sie nun nach der wohl berühmtesten Wahl-Meersburgerin und bekannten Dichterin Annette von Droste-Hülshoff. Der Begriff "Heim" wurde durch "Internat" ersetzt. Der Briefkopf lautete nun: Droste-Hülshoff-Gymnasium, Staatliches Gymnasium in Aufbauform mit Internat.

Ganz in der Tradition der Förderung von Schülern wurden zum Schuljahr 1990/91 am Droste-Hülshoff-Gymnasium zwei weitere Schulzweige eingerichtet: Der "Dreijährige Aufbauzug ab Klasse 11 für Realschulabsolventen" (Realschulaufsetzer) und das "Gymnasium mit achtjährigem Bildungsgang" (G8).

Der Realschulaufsetzer umfasst die Klassenstufen 11 – 13 und soll Jugendlichen mit Mittlerer Reife den Weg zur allgemeinen Hochschulreife (Abitur) ermöglichen. Dieser dreijährige gymnasiale Bildungsgang orientiert sich an den Anforderungen des Normalgymnasiums, setzt jedoch nur eine Fremdsprache (Englisch) voraus. Zur Erleichterung des Übergangs wird die Klasse 11 gesondert unterrichtet und erhält möglicherweise besondere Förderungskurse. Französisch beginnt als zweite Fremdsprache und wird bis zur Jahrgangsstufe 13 fortgeführt. In den Jahrgangsstufen 12 und 13 erfolgt der Unterricht mit den anderen Schülern des Jahrgangs entsprechend den Regelungen der gymnasialen Oberstufe.

Besonders lernmotivierte Schüler sollten in einem Versuch die neunjährige Gymnasialzeit um ein Jahr verkürzt durchlaufen können. Das sogenannte "G8" gab es neben Meersburg an drei weiteren Standorten (Karls-Gymnasium Stuttgart, Tulla-Gymnasium Rastatt, Kreisgymnasium Kirchzarten). An den Schulversuch wurde eine wissenschaftliche Begleitung durch Prof. Heller vom Institut für Pädagogische Psychologie der Universität München gekoppelt, dessen Team an allen vier Versuchsschulen jährlich Befragungen von Schülern, Eltern und Lehrern durchführte und mit Vergleichsbefragungen am neunjährigen Gymnasium verglich. 2003 ist der Abschlussbericht in Buchform über die wissenschaftliche Evaluation des Schulmodellversuchs erschienen. Die G8-Konzeption wurde mehrfach geändert (Oberstufe, Lehrplan, Aufnahmemodalitäten). Die wohl entscheidendste Änderung gab es zum Schuljahr 1996/97: Beginnend mit diesem Jahrgang entfiel die eigenständige Oberstufe in G8. Der Unterrichtsstoff der normalen Klassen 5 bis 11 wird durch Konzentration des Stoffes in G8 bereits am Ende der Klasse 10 absolviert und diese Schüler treten nun bereits in die Oberstufe ein. In den beiden letzten Jahrgangsstufen werden die Teilnehmer des G8-Zuges mit G9-Schülern gemeinsam unterrichtet und legen die gleiche Abiturprüfung ab.

In den weiteren Jahren wurden durch starke Werbung die Standorte für G8 ausgeweitet. 1999 wurde durch die Aufnahme von G8 in das Schulgesetz der Versuchscharakter beendet und als weiterer Weg zum Abitur in Baden-Württemberg festgeschrieben.

Zum Schuljahr 2002/03 erfolgte eine tiefgreifende Änderung der gymnasialen Oberstufe. In der Kursstufe (Jahrgangsstufe 12 und 13) gliedert sich nun das Unterrichtsangebot in einen Pflicht- und Wahlbereich. In den vier Schulhalbjahren sind drei Kernkompetenzfächer, ein Profil- und ein Neigungsfach zu belegen. Zu diesen vierstündigen treten zweistündige Kurse. Wahlweise kann nun auch je nach Angebot der Schule eine besondere Lernleistung in die Gesamtqualifikation eingebracht werden. Die Änderung hat auch die Konsequenz, dass nun das Abitur in fünf Fächern geprüft wird.

Die Entscheidung des Kultusministeriums, mit dem Schuljahr 2004/05 die gymnasiale Schulzeit generell auf acht Jahre festzulegen und diese mit einem neuen Lehrplan (Standards) und anderen Wochenstunden (Kontingente) zu versehen, wird starke Auswirkungen auch auf die Schulzweige in Meersburg haben.